13.7.08

Wie (un)angenehm - the pursuit of pleasantness


"Für zwei Leute können schon ganz verschiedene Sachen angenehm sein. Und wenn zwei durch eine Landschaft gehen und es weht ein angenehmer Wind, sagt der eine: "Ach, ist dieser Hauch angenehm". Und der andere denkt: "mir nicht", sagt aber entweder nichts oder tut sich damit solidarisieren, und heuchelt und lügt, weil er die angenehme Stimmung des anderen nicht stören will (...)
Ja, jetzt werd´ ich´s Ihnen sagen: wie ich Sie g´sehn hab´, war´s mir äußerst unangenehm und scheußlich, dann hab ich mich auf die Bank niedergesetzt, und da hab´ich mich derfangen. Und dann war es plötzlich hier sehr angenehm. Wie lange das Angenehme dauert, das kann ich ja nicht wissen. Sie können was sagen, und das ganze Angenehme ist plötzlich hin, und in mir fällt alles zusammen, das weiß ich ja nicht.
Ich lebe Perioden, also tagelang sehr angenehm und wochenlang sehr unangenehm. Aber was das eigentlich ist, weiß man ja nicht. Das können auch Sie nicht wissen.
Wenn einem was gelingt, empfindet man das als angenehm. Das beginnt schon, wenn man aufsteht, ohne daß einem etwas weh tut. Wenn einem das Aus-dem-Bett-Steigen keine Schwierigkeiten macht, das ist irgendwie schon angenehm. Wenn einem eine erste Kombination im Kopf gelingt oder irgendein guter Satz, oder wenn einem etwas einfällt, was einem bis jetzt noch nicht eingefallen ist, das ist alles angenehm. Wenn man sich wiederholt, oder wenn einem was weh tut, das ist alles unangenehm.
Und der Mensch wird ja nur deshalb alt und kriegt Runzeln und stirbt, weil die meiste Zeit des Lebens unangenehm ist. Wenn mehr Angenehmes wäre, würden die Leute hundertfünfzig bis dreihundert Jahre alt werden. Da das meiste unangenehm ist, verschließen sie sich, verlieren die Zähne und kriegen ab dreißig verbitterte Gesichter, hassen alles, was mehr ist als sie (...) Der Straßenkehrer bewundert den Wittgenstein, der vorbeigeht mit seinem Geld. Der Wittgenstein denkt: "Mein Gott, hätt´ich das alles nur los, meine g´schmackigen Sockerln und Hoserln und Schuhe aus London. Wär´ich nur der mit dem Besen da, dann hätt´ich meine Ruh´, und es wäre sehr angenehm." Das ist verrückt. Es empfindet sich niemand als angenehm. Garantiert kein Mensch empfindet sich als angenehm."
(K. Hofman: Aus Gesprächen mit Thomas Bernhard)

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