13.9.08

Samstags-Lob (8)







"Als nun ein elektrischer Wagen vor Raban hielt, schoben sich um ihn viele Leute der Wagentreppe zu, mit wenig geöffneten spitzigen Schirmen, die sie aufrecht in den an die Schulter gepreßten Händen hielten. Raban, der den Koffer unter dem Arm hielt, wurde vom Trottoir hinuntergezogen und trat stark in eine unsichtbare Pfütze. Im Wagen kniete auf der Bank ein Kind und drückte die Fingerspitzen beider Hände an die Lippen, als nähme es Abschied von jemandem, der jetzt davonging. Einige Passagiere stiegen herunter, und mußten einige Schritte entlang des Wagens gehn, um aus dem Gedränge zu kommen. Dann stieg eine Dame auf die erste Stufe, ihre Schleppe, die sie mit beiden Händen hielt, lag knapp über ihren Beinen. Ein Herr hielt sich an einer Messingstange und erzählte, den Kopf gehoben, einiges der Dame. Alle, die einsteigen wollten, waren ungeduldig. Der Kondukteur schrie.
Raban, der jetzt am Rande der wartenden Gruppe stand, wandte sich um, denn jemand hatte seinen Namen gerufen.
"Ach, Lement", sagte er langsam und reichte einem herankommenden jungen Mann den kleinen Finger der Hand, in der er den Schirm hielt.
"Das ist also der Bräutigam, der zu seiner Braut fährt. Er sieht schrecklich verliebt aus", sagte Lement und lächelte dann mit geschlossenem Munde.
"Ja, du mußt verzeihn, daß ich heute fahre", sagte Raban. "Ich habe dir auch nachmittag geschrieben. Ich wäre natürlich sehr gerne morgen mit dir gefahren, aber morgen ist Samstag, alles wird überfüllt sein, die Fahrt ist lang."
"Das macht ja nichts. Du hast es mir zwar versprochen, aber wenn man verliebt ist. Ich werde eben allein fahren müssen."
Lement hatte einen Fuß auf das Trottoir, den anderen auf das Pflaster gestellt und stützte den Oberkörper bald auf das eine, bald auf das andere Bein.
"Du wolltest jetzt in die Elektrische steigen, gerade fährt sie weg ..."

(Franz Kafka: Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande, 1907/09)

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